Von Beats und Bilanzen: Wie Musiker*innen in Österreich bestehen

Die Bühne taucht in buntes Licht, das Publikum jubelt, und der Beat beginnt den Raum zu durchdringen. Doch was für das Publikum ein magischer Moment ist, bedeutet für viele Musiker*innen harte Arbeit und oft auch Unsicherheit. Der Weg, mit Musik das Leben zu finanzieren, ist ungewiss. Besonders in Österreich stehen Musikschaffende vor großen Herausforderungen. Streaming generiert kaum Einnahmen, Liveauftritte sind aufwendig und häufig unrentabel, und Fördergelder sind zwar hilfreich, aber schwer zu bekommen. Gleichzeitig steigt der Druck, sich in einer zunehmend digitalen und globalisierten Szene zu behaupten.

Der Wiener Rapper Schellack und sein Kollege Poppi geben Einblicke in das Leben junger Musiker*innen in der Szene. Ihre Erfahrungen sind geprägt von Leidenschaft, strategischem Denken und einem ständigen Balanceakt zwischen Kunst und Wirtschaftlichkeit.

von LUISA KAINZ

Von der Playlist in die Tasche: Wie viel bleibt wirklich?

„Streaming ist super, um gehört zu werden …aber finanziell? Es bringt kaum etwas ein“, erklärt Schellack, als er über die Bedeutung von Plattformen wie Spotify und Apple Music spricht. Tatsächlich zahlen Streamingdienste Künstler*innen pro Stream nur winzige Beträge. Während Spotify durchschnittlich 0,003 Euro pro Stream ausschüttet, liegt Apple Music mit rund 0,01 Euro pro Stream deutlich darüber. Apple hat diese Vergütung kürzlich erhöht und versucht, sich damit als fairere Alternative zu positionieren. Dennoch bleibt die finanzielle Belastung für Künstler*innen hoch, da Streaming nur dann profitabel wird, wenn Millionen Streams generiert werden. Ein Ziel, das für die meisten Musiker*innen unerreichbar bleibt.

„Streaming ist eher eine Visitenkarte“, ergänzt Poppi. Es ist der Ort, an dem Fans die Musik entdecken und wo sich Musiker*innen einem breiten Publikum präsentieren können. Doch das System ist problematisch, die Einnahmen hängen stark von Algorithmen ab, die häufig große Künstler*innen oder Tracks mit hoher Klickrate bevorzugen.

Die Debatte um die faire Vergütung von Streaming ist nicht neu. Organisationen wie der Österreichische Musikrat setzen sich seit Jahren dafür ein, die Ausschüttungen zu erhöhen und die Rechte von Musikschaffenden zu stärken. Doch grundlegende Veränderungen lassen auf sich warten, und Streaming bleibt für viele Musiker*innen eher ein Marketinginstrument als eine verlässliche Einnahmequelle.

Bühne frei, doch der Weg bleibt steinig

Liveauftritte sind nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des Musiker*innenlebens, doch die Pandemie hat diesen Bereich massiv getroffen. Viele Veranstalter*innen mussten ihre Kapazitäten reduzieren oder schlossen ihre Türen endgültig, und das Publikum kehrte nur langsam zurück. Besonders Konzerte kleinerer Künstler*innen blieben lange Zeit auf der Strecke.

Die Organisation eines Konzerts erfordert erheblichen Aufwand, von der Suche nach geeigneten Locations, über Verhandlungen mit Veranstalter*innen, bis hin zur Finanzierung von Technik und Personal.

Sponsoring spielt dabei eine immer größere Rolle. Unternehmen investieren gezielt in die Förderung von Musikveranstaltungen und schaffen damit Plattformen für aufstrebende Künstler*innen. Trotzdem bleibt die Situation angespannt, denn die Konkurrenz um begrenzte Auftrittsmöglichkeiten ist groß, und die Gagen decken meist nicht die entstehenden Kosten.

Kreativität gegen Kontrolle: Die komplizierte Beziehung zu Labels

„Ein Label ist wie eine Bank: Du bekommst Unterstützung, aber du zahlst dafür mit deinen Rechten“, beschreibt Schellack die oft ambivalente Beziehung zwischen Künstler*innen und Labels. Verschiedene Vertragsmodelle bestimmen, wie viel Freiheit und Kontrolle Musiker*innen über ihre Werke behalten.

Bei Albumdeals übernehmen Labels die Produktionskosten und behalten im Gegenzug die Rechte an der Musik. Solche Verträge können langfristig binden und schränken die künstlerische Freiheit oft ein.

Vertriebsdeals bieten Musiker*innen mehr Kontrolle über ihre Werke, da sich die Labels ausschließlich um die Verbreitung kümmern. Die Rechte gehen zwar für eine festgelegte Zeitspanne an das Label über, doch die Künstler*innen erhalten in der Regel einen höheren finanziellen Anteil an den Einnahmen.

Labels beteiligen sich bei 360-Grad-Verträgen an allen Einnahmen von Musikverkäufen über Merchandise bis hin zu Liveauftritten. Diese Verträge bieten finanzielle Sicherheit, werden jedoch häufig als unfair kritisiert, da Künstler*innen einen großen Teil ihrer Einnahmen dem Label überlassen müssen.

„Unser Vertriebsdeal gibt uns die Freiheit, die wir brauchen“, erklärt Schellack. „Es ist ein Kompromiss zwischen finanzieller Unterstützung und kreativer Unabhängigkeit.“ Doch nicht alle Künstler*innen haben die Möglichkeit, solche Deals auszuhandeln. Viele Verträge sind komplex und erfordern juristische Beratung: Ein weiterer Kostenfaktor, den sich junge Musiker*innen oft nur schwer leisten können.

Unabhängigkeit oder Illusion? Crowdfunding

Crowdfunding ist für viele Musiker*innen eine Möglichkeit, Projekte unabhängig von Labels zu finanzieren. Plattformen wie Patreon oder Kickstarter ermöglichen Fans, direkt in ihre Lieblingskünstler*innen zu investieren. Doch dieses Modell ist nicht ohne Kritik. Es erzeugt oft eine Nähe zu den Fans, die meist nur gespielt wird.

Diese vermeintliche Nähe zwischen Künstler*in und „Fans“ birgt Risiken, denn sie basiert oft auf einer emotionalen Bindung, die nicht immer der Realität entspricht. Fans erwarten exklusive Einblicke und Belohnungen, während Künstler*innen unter Druck stehen, diese Erwartungen zu erfüllen.

Trotzdem bietet Crowdfunding gerade jungen Musiker*innen eine wichtige Alternative. Es ermöglicht, unabhängig von großen Labels zu arbeiten und gleichzeitig die Fanbindung zu stärken. Meist ist doch der Aufwand sehr hoch und die Aussicht auf Erfolg sehr niedrig.

Ungleichheiten in der Musikindustrie

Die Musikbranche ist noch immer von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten geprägt. Studien zeigen, dass Frauen in der Musik seltener in Führungspositionen vertreten sind und häufig schlechter bezahlt werden. Eine Untersuchung der Universität Salzburg ergab, dass Musikerinnen in Österreich durchschnittlich 25 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen.

„Es fühlt sich an, als würden wir Fortschritte machen, aber es dauert definitiv noch“, sagt Poppi. Besonders in technischen und organisatorischen Bereichen dominieren Männer, was Frauen den Zugang zu wichtigen Netzwerken erschwert. Initiativen wie die Keychange-Kampagne, die sich für mehr Gender Balance auf Festivals einsetzt, haben begonnen, diese Lücken zu schließen. Doch um die strukturelle Ungleichheit auszugleichen, bedarf es umfassenderer Maßnahmen und noch viel mehr Aufmerksamkeit.

Neue Wege, neue Chancen?

Die Zukunft der Musikfinanzierung ist ebenso ungewiss wie spannend. Neue Technologien wie NFTs könnten Musiker*innen ermöglichen, ihre Werke direkt an Fans zu verkaufen und dabei die volle Kontrolle über Rechte und Einnahmen zu behalten. „Ich habe mich mit NFTs noch nicht beschäftigt, aber es klingt interessant“, sagt Schellack.

Gleichzeitig gewinnen Plattformen wie TikTok oder Instagram an Bedeutung. Sie ermöglichen es Musiker*innen, ihre Musik direkt zu promoten und neue Zielgruppen zu erreichen, auch hierbei ist der Algorithmus der entscheidende Faktor. Musiker*innen werden immer abhängiger von sozialen Medien. Doch selbst, wenn auf diesen Plattformen die Künstler*innen populär werden, ist dies nicht immer etwas Gutes. Künstler*innen erlangen sehr schnell einen „Hype“, sogenannte „Fans“ kennen meist nur kurze Ausschnitte der Songs und die Popularität ist oft rasch wieder vorbei.

Letztendlich kann man sagen, dass die Musikbranche in Österreich ein komplexes Geflecht aus Möglichkeiten und Hindernissen ist. Zwischen Streaming, Liveauftritten, Crowdfunding und neuen Technologien brauchen Musiker*innen Kreativität und genügend Durchhaltevermögen. Doch ohne faire Bezahlung, bessere Förderstrukturen und mehr Unterstützung ist die Zukunft nur schwer vorstellbar. Die Geschichten von Künstler*innen wie Schellack und Poppi zeigen, dass Musik mehr ist als nur Kunst …. sie ist auch ein Geschäft und eine Szene, die Respekt und Anerkennung verdient.

Schellack und Poppi | Copyright: Niko Rode