Digitales Radio, ein Missverständnis!

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UKW-Radio soll als letztes elektronisches Medium digitalisiert werden und über kurz oder lang vom neuen Übertragungsstandard DAB+ abgelöst werden. Über den Bedarf eines digital-terrestrischen Verbreitungsnetzes für Hörfunk und über eine erfolgreiche Etablierung am Markt, spalten sich die Meinungen.

Ende Mai 2015 startete in Wien ein Pilotprojekt zur Übertragung digitalen Hörfunks mittels des Übertragungsstandards DAB+ (Digital Audio Broadcast Plus) (1). Teilnehmer dieses Pilotprojektes sind neben bestehenden UKW-Radiosender wie Radio Arabella oder Lounge FM auch einige neue Anbieter am Hörfunkmarkt, die Special-Interesst Formate anbieten, wie zum Beispiel einen speziell für Verkehrsfunk ausgelegtes Radioprogramm vom Autofahrer-Club ARBÖ (2).

Mehrwert für das Radiopublikum?
Radio ist der einzige Rundfunkbereich in Österreich, der noch nicht digital-terrestrisch übertragen wird. Die mögliche Umstellung auf DAB+ wirft auf der Seite der Radiohörer einige Fragen auf (3). Voraussetzung für den Empfang von DAB+ Programmen ist ein DAB+ kompatibler Radioempfänger. Neben dem herkömmlichen Audiosignal können mittels dieses Geräts auch Bilder, Texte und andere interaktive Elemente übertragen und empfangen werden. Zusätzlich zum „klassischen“ UKW-Radioprogramm können also multimediale Zusatzdienste, wie zum Beispiel Titel und Interpret des gerade gespielten Songs, Albumcover, Wetterkarten oder Fußballtabellen, abgerufen werden (4). Abgesehen von Erweiterungen liefert die digitale Übertragungstechnik einen unterbrechungsfreien Empfang, bessere Audioqualität, zeitunabhängiges hören mittels Radiotheken und der für den Hörer wohl größte vermeintliche Vorteil ist die Vielzahl an neuen Sender, welche für eine größere Programmauswahl sorgt (5). Laut Radiotest hören Österreicher durchschnittlich 1,8 bis 2,3 Sender verschiedene Radiosender, was nun die Frage aufwirft, ob die neu angebotenen Funktionen und Sonderleistungen vom Konsument überhaupt wahrgenommen beziehungsweise benötigt werden? (6) Radio als Nebenbei-Medium (7), wird wie der Name schon verrät, als Nebenbeschäftigung beim Kochen, im Bad, beim Autofahren etc. konsumiert. Folglich ist nicht anzunehmen, dass die angebotenen Zusatzfunktionen wirklich genutzt werden vor allem, wenn man ohnehin die Möglichkeit hat, all diese Erweiterungen am Smartphone via App abzurufen. Weiters ist fraglich, ob man in Österreich 50 Radiosender oder mehr benötigt, wenn diese in weiterer Folge nicht gehört werden?

Rezipentenmarkt vs. Werbemarkt
Da die Einführung des digitalen Hörfunks im Standard DAB+ einen Einfluss auf den Rezipientenmarkt hat, so wird sich in logischer Folge auch der Werbemarkt verändern und sich den neuen Gegebenheiten anpassen müssen. Am Hörfunkmarkt ist, durch die höhere Anzahl der zu Verfügung stehenden Sender und die damit verbundene Aufteilung der Zielgruppen, ein größerer Konkurrenzkampf zu erwarten (8). Besonders für kommerzielle Privatradios, deren Finanzierung stark von Werbeeinnahmen abhängig ist, könnte die Sendererweiterung enorme Folgen haben. Eine Aufteilung des Werbebudgets auf mehr Akteure am Markt, würde die Sender zu Einsparungen zwingen worunter wiederum die Qualität der Beiträge leiden würde. Spinnt man den Faden weiter, so könnte die Kürzung des Werbebudgets auch das Sterben lokaler und regionaler Radiosender verursachen.

Spotify als größte Konkurrenz
Streaming-Dienste sind längst kein Nischenphänomen mehr. Wie der IFPI Marktbericht 2015 (9) zeigt, sind die Umsätze durch Streaming-Abos 2015 um 26% auf 11,2 Millionen Euro gestiegen (10). Radiosender sehen sich zunehmend mit einem Substitutionswettbewerb durch Streaming Anbieter konfrontiert. Als Reaktion darauf haben sie simultane Online-Verbreitung ihrer Radioprogramme, zusätzlich eigene Webradioprogramme und Smartphone-Apps eingeführt. Doch auch in Bezug auf die Reichweite haben Streaming Anbieter einen Vorteil. Durch Algorithmen die Präferenzen der Hörer analysieren, können sie individualisierte Playlists und Podcasts für den Hörer zusammenstellen. Somit entsteht eine Substitutionsalternative die vor allem für Formatradios mit geringen redaktionellen Elementen (11).
In Anbetracht der oben erwähnten Tatsachen stellt sich die Frage, ob die Diskussion um die Einführung von DAB+ als neuen Übertragungsstandard möglicherweise etwas an der Zeit vorbei ist und der Fokus der Diskussion vielleicht doch mehr auf UKW-Radio vs. Streaming gerichtet werden soll? Doch um wieder zurück zum Ausgangspunkt zu kommen, kann man abschließend sagen, dass der ORF und der Privatsender Kronehit bei diesem Pilotprojekt mehr Nach- als Vorteile sehen und sich deshalb gegen eine Beteiligung am Testbetrieb ausgesprochen haben. Grund dafür sei, dass die Einführung von Digitalradio eine größere Programmvielfalt zuließe und der damit verbundene Parallelbetrieb von UKW und DAB+ Radio erhebliche Kosten verursachen würde. (12) (13) Die niedrigeren Verbreitungskosten würden erst wirksam werden, wenn Radioanbieter auf UKW-Verbreitung verzichten würden, doch dafür wäre eine weitgehende Marktdurchdringung von DAB+ nötig. (14)

Über den Autor
Lukas Kargl studiert im Bachelorstudiengang Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten. Seine Ausbildungsschwerpunkte umfassen Contentmanagement, Marketing und Sales sowie die Praxisfächer Radio und Online. Vor diesem Studium hat er 2 Jahre an der WU Wien studiert und konnte durch diverse Fortbildungskurse und Praktika (Ink Music) Erfahrungen in der Musikwirtschaft sammeln.

Artikel verfasst im Sommersemester 2016.