Welches Potential stellen Videoportale für Institutionen dar? Warum besitzen die Europäische Kommission oder die Österreichische Regierung keine eigenen Videoportale?
Videoportale bieten für Institutionen wie das Bundesheer, Ministerien oder die Europäische Kommission Möglichkeiten der schnellen Verbreitung von Information der Präsenz und der Transparenz. Virtuelle Kommunikation trägt einen wichtigen Teil zur Wahrnehmung bei, da Erfolge einer Institution nicht nur an deren Tätigkeiten gemessen werden, sondern bereits an der Rezeption. Aktuell bewegen sich Institutionen auf „YouTube“ und ähnlichen Plattformen, was laut Hofer daran liegt, dass UserInnen in ihrem Mediennutzungsverhalten wenig sprunghaft sind und sich bevorzugt auf größeren und bereits etablierten Plattformen aufhalten.
Obwohl es sich bei „YouTube“ um ein verhältnismäßig altes Netzwerk handelt, steigen die Nutzerzahlen in den letzten Jahren derart stark an, dass für viele Institutionen eine Präsenz dort unabdingbar wirkt, so Plaikner.
Ein Mittel für mehr Transparenz
Besonders für öffentliche Institutionen stellt die Verbreitung von Informationen in Form von Videomaterial eine Möglichkeit dar, mehr Transparenz in der Bevölkerung zu schaffen. „Dieses Potential wird nach wie vor nur gering genutzt, das gilt aber genauso für die linearen Fernsehsender. Wenn zum Beispiel ORF III eine ganze Nationalratssitzung überträgt, ist das alles andere als ein Quotenrenner. Letztlich erhöht es auch die Qualität der parlamentarischen Auseinandersetzung, da die Abgeordneten schon wissen, dass sie gefilmt werden und deshalb an ihrer Rhetorik arbeiten müssen und nicht alle abwesend sein sollten“, meint Plaikner.
Als beispielhaft sieht er den Online-Auftritt der deutschen Bundesregierung, die Zahl der AbonnentInnen liegt bei rund 23.000 (Stand September 2018) und die wöchentlich hochgeladenen Videos mit Bundeskanzlerin Merkel können zwischen 1.000 und 4.000 Klicks verzeichnen. Zum Vergleich: Der Kanal des österreichischen Bundeskanzleramts wurde von rund 1.100 Personen (Stand September 2018) abonniert.
Für eine funktionierende Demokratie sind Transparenz und die laufende Versorgung mit Information, um einen hohen Grad an Wissen und Verständnis in der Bevölkerung zu erzeugen, von großer Bedeutung. Auch in Österreich wird das Potential, sich als Partei oder Organisation auf Social Media-Plattformen zu bewegen immer mehr erkannt. „Durch die letzte Wahl sind Parteien in die Regierung gekommen, die sich schon aktiv im Social Media-Bereich bewegt haben. In den letzten Wochen des Wahlkampfs konnte man auf ‚YouTube‘ kaum ein Video mehr aufrufen, ohne davor mit einem Wahlkampfvideo konfrontiert zu werden“, stellt Plaikner fest.
Geringe Aufrufzahlen
Der Kanal der Europäischen Kommission hat rund 48.000 AbonnentInnen, die Zahl der Videoaufrufe bewegt sich unter der Tausendergrenze (Stand September 2018). Insgesamt hat die EU knapp 510 Millionen EinwohnerInnen, das heißt nur 0,009% nutzen auch den „YouTube“-Kanal. Das ist vor allem der Tatsache zuzuschreiben, dass Inhalte hierin aktiv gesucht werden müssen. „‚YouTube‘ ist nicht wie ein Fernseher, der einfach nur eingeschaltet werden muss“, beschreibt Sinnreich die Problematik. „Man muss genau darauf achten, was kann ein Medium?“
Hier ist die Unterscheidung von Push- und Pull-Medien wichtig, Plattformen wie „YouTube“ zählen klar zu letzteren, hier kann der/die RezipientIn selbst steuern, welche Informationen abgerufen werden. Diese Grenzen können auch durchbrochen werden, beispielsweise durch die Auto-Play-Funktion von „Facebook“. Die Aufrufe vervielfachen sich dadurch deutlich. Das Video „100 Tage Bundesregierung“ kann auf „YouTube“ derzeit rund 1.000 Aufrufe verzeichnen, auf „Facebook“ hingegen 200.000. Für eine erfolgreiche Kommunikationsstrategie über Plattformen dieser Art ist es wichtig, die besten Bestandteile beider Formen zu kombinieren. Dennoch bewegen sich österreichische Auftritte auf Videoplattformen im internationalen Rahmen, erklärt Plaikner.
Vernetzung über die Kommentarfunktion
Die Funktion für UserInnen Kommentare zu hinterlassen, gibt den Institutionen die Möglichkeit, sich mit ihrer Zielgruppe zu vernetzen und Feedback zu ihrem Auftritt zu erhalten. Aktuell ist diese Möglichkeit auf diesen Kanälen deaktiviert oder wird gar nicht erst genutzt. Würde durch die Freigabe der Kommentarfunktion diese Form der Kommunikation gegeben sein, ist es wichtig, die NutzerInnen durch Moderation zu betreuen, um einen konstruktiven Input zu bekommen. Dies ist nur durch verstärkten Personaleinsatz möglich. Da sich zusätzliche Personalkosten auch erheblich auf das Budget auswirken, stoßen Institutionen schnell an ihre Ressourcengrenzen. Durch die ModeratorInnen muss auch klar aufgezeigt werden, wofür die Kommentarfunktion genutzt werden soll, da der Aufwand sonst schnell aus dem Ruder läuft.
Eigene institutionelle Plattformen
Momentan bewegen sich Institutionen nur auf bestehenden Plattformen, aber hätten eigene Videoportale für größere Institutionen wie die Europäische Kommission oder die österreichische Bundesregierung auch eine Chance? Würden dadurch die Nutzerzahlen steigen? Hofer ist der Meinung, dass das Interesse des Users an einer eigenen institutionellen Plattform gar nicht so groß ist. Inhalte sollten eher über Accounts einzelner Personen mit großer digitaler Strahlkraft ausgespielt werden. „Die Verbreitung von Inhalten über Video ist durchaus ein Fixbestandteil, sowohl öffentliche Stellen, als auch Ministerien sind sich der Wirkung bewusst. Das Teilen von Inhalten hat über die Accounts einzelner Personen einen weitaus personalisierteren Charakter, als wenn das eine Institution als Absender macht.“ Plaikner hingegen würde es als eine der wichtigsten Aufgaben der europäischen Medienpolitik sehen, Alternativen zu den großen Plattformen zu schaffen. „Selbst wenn ich gezielt nach Inhalten suche, ist es in weit über 90 Prozent der Fälle eine reine ‚Google‘-Suche. Dabei ist man natürlich letztlich wieder ‚Google‘ ausgeliefert.“ Er zweifelt zwar daran, dass durch eigene Plattformen die Zugriffszahlen steigen würden, aber das Bewusstsein sollte gestärkt werden, dass in diesem Bereich eine Abhängigkeit von den großen Anbietern wie „Google“ und „YouTube“ besteht. „Es wäre wichtig, eigene europäische Portale zu ermöglichen, da wir sonst laufend das Geschäftsmodell der Amerikaner versorgen, wir liefern genau die Inhalte, die sie sonst nicht haben.“
Ein mögliches Erfolgsrezept
Sinnreich erklärt, dass Institutionen, die Inhalte erfolgreich über Videoplattformen transportieren wollen, lernen müssen, wie Medienhäuser zu denken. Es ist wichtig, zu erkennen, wie Inhalte passend für jeden Kanal aufbereitet werden müssen, nicht jede Form funktioniert für jeden Kanal. Um präsent zu bleiben, sollten Themen über eine längere Zeitspanne unterschiedlich aufbereitet werden. So lässt sich auch ein größerer Teil der Bevölkerung erreichen. „Man muss die Silos der Kommunikation öffnen.“ Abteilungen müssen lernen, wie in einer Redaktion zusammenzuarbeiten, nicht erst die fertigen Ergebnisse sollten ausgetauscht werden, sondern der Austausch während des Entstehungsprozesses ist wichtig. Sonst läuft eine Institution in Gefahr, dass die Abteilungen redundant arbeiten – und die gleichen Inhalte mehrfach aufarbeiten.
Autorin: Marlene Havel