Empörungs- und Aufregungswellen auf TikTok

von LUCE FIDUCCIA & AURELIA AEYCHOUH

Luce Fiduccia in Auftrag an KI-Programm DALL-E: „Erstelle ein abstraktes Bild zum Thema Empörungswellen auf TikTok.“
Luce Fiduccia in Auftrag an KI-Programm DALL-E: „Erstelle ein abstraktes Bild zum Thema Empörungswellen auf TikTok.“

Mittlerweile gehören Soziale Medien zum Alltag großer Teile der Gesellschaft. Während des Scrollens werden ständig neue Inhalte und Informationen aufgegriffen. In einer Zeit multipler Krisen, in der es schwerfällt, seriöse  von unseriösen Nachrichten zu unterscheiden und die Jagd auf Klicks zentraler Gegenstand der Online-Geschäftsmodelle sind, können in der Folge Emotionen große Wellen schlagen und skandalisieren.

TikTok hat sich in den letzten Jahren zu einem globalen Phänomen entwickelt. Mit über einer Milliarde monatlich aktiver Nutzer:innen ist die Plattform zu einer wichtigen Quelle Informationsquelle geworden. Doch in diesem rasanten Umfeld von Kurzvideos und Trends brodelt auch ein Unterstrom aus Empörung und Aufregung.

Boulevard 2.0: Wie TikTok die Funktionsweisen des Skandaljournalismus nutzt

Durch die Digitalisierung und die Dominanz der Sozialen Medien in der digitalen Alltagskommunikation hat sich der Boulevardjournalismus in den letzten Jahren rasant verändert. Eine einst in einer Zeitung gedruckte Schlagzeile kann nun viralen Videos nur mehr bedingt das Wasser reichen. Laut der Menthal-Studie der Universität Bonn greife der Durchschnittsbürger täglich zwischen 53- bis 80-mal zum Smartphone. Das führe dazu, dass sich die Aufmerksamkeitsspanne der Leser:innen drastisch auf wenige Sekunden verkürzt habe. Werde das Interesse nicht bereits in den ersten Sekunden geweckt, unterbleibe eine Rezeption, so die Studienautoren.

Die Plattform TikTok nutzt in ihrer Berichterstattung ähnliche Techniken wie der Boulevardjournalismus: Aufmerksamkeit erregen, Emotionen triggern und Klickzahlen generieren. Eine Skandalisierung ist durch die neuen Medien simpler geworden. Allerdings entscheiden in den Sozialen Medien auch die Nutzer:innen selbst, welche Themen und Personen sie kritisieren. Boulevardinhalte scheinen für Rezipient:innen interessanter als seriöse und investigativ recherchierte Berichte. Diese Beobachtung bestätigt sich durch die aktuell veröffentlichten Mediadaten von österreichischen Tageszeitungen. Die Plattformen, die Nonsens-Inhalte veröffentlichen, streben danach, Themen zu emotionalisieren und dadurch viral zu gehen, was wiederum zu höheren Werbeeinnahmen für die/den Inhaber:in führt. Im Netz geht es darum, was als interessant oder als kurios empfunden wird. Ein Beispiel für solch einen Medienmacher ist „BuzzFeed“ mit über 90 Millionen Aufrufen pro Monat. Hier werden tagtäglich neueste Trends aufgegriffen und genau die Inhalte geliefert, die das Publikum als aufregend empfindet. Auch die Plattform „heftik.co“ erzielt hohe Interaktionsraten und ist vor allem für ihre reißerischen Überschriften bekannt, die auf maximale Klicks abzielen. So zum Beispiel folgender Titel „Kind sieht etwas im Tierheim, für das Erwachsene blind sind“. Dabei geht es in dem Artikel lediglich darum, auf die Situation von Tieren im Tierheim aufmerksam zu machen. Oder auch „promiflash.de“, wo über die Haarveränderungen von Realitiy-TV-Stars diskutiert wird, unter anderem mittels Quiz-Funktion am Ende des Berichts, die den Leser zusätzlich einbindet.

Luce Fiduccia in Auftrag an KI-Programm DALL-E: „erstelle ein Bild zum Thema Empörungswellen auf TikTok.“
Luce Fiduccia in Auftrag an KI-Programm DALL-E: „erstelle ein Bild zum Thema Empörungswellen auf TikTok.“

Desinformation für Klicks
TikTok unterscheidet sich in einigen Aspekten von anderen Sozialen Medien. Denn es zählt hier nicht, welchen Konten man auf der Plattform folgt, sondern welche Inhalte die/der Rezipient:in sich länger anschaut. Je nachdem wie lange bzw. wie oft ein Video angesehen wird, desto öfter werden ähnliche Themen gespielt. Vor allem politische Themen sind unter den Nutzer:innen äußerst beliebt. Dies kann vor allem in Bezug auf Wahlen problematisch sein, da Falsch- bzw. Fehlinformationen zu einer Wahlbeeinflussung und damit zur Gefährdung des demokratischen Prozesses führen könnten. Insbesondere dann, wenn es sich nicht um transparente, zurechenbare Parteienwerbung handelt. Grundsätzlich lasse sich feststellen, dass sich TikTok durch bestimmte Features besonders dafür eigne, Falschinformationen zu verbreiten. Die Plattform erkenne die Inhalte häufig nicht als Desinformation, wie eine Untersuchung der New York University behauptet, und bleibt damit für alle Nutzer:innen öffentlich sichtbar. Besonders emotionale und aufregende Themen werden von User:innen auf der Plattform schnell geteilt und geliked. Dies führt wiederum dazu, dass der Algorithmus, Beiträge mit viel Klicks weiter pusht und mehr Menschen zeigt.

Obwohl die Social Media-Plattform Instagram des US-amerikanischen Konzerns Meta mit ähnlichen Mechanismen wie TikTok arbeitet und folglich Desinformationen in einem rasanten Tempo verbreiten kann, herrscht aktuell eine Art „Hexenjagd“ auf den chinesischen Player Bytedance/TikTok. Hierbei geht es weniger um die Algorithmen, sondern Bedenken bezüglich Datenschutzverordnungen. Die US- Regierung fordert strengere Reglementierungen und Restriktionen für die Plattform. Es wird befürchtet, dass TikTok gezwungen sei Daten von US-Nutzer:innen für die chinesische Regierung zugänglich zu machen. Da Instagram an US-Rechtsvorschriften gebunden ist, seien sie eher bereit mit den Behörden zusammenzuarbeiten und die „nationale Sicherheit“ zu gewährleisten. TikTok verwahrt sich gegen diese Anschuldigungen. Fraglich ist jedoch, ob die Kritik an TikTok weniger daher rühre, dass ein Sicherheitsrisiko bestehe als, vielmehr von der politischen Rivalität motiviert sei.

Weiters zeichnet sich TikTok dadurch aus, dass auch User:innen mit wenig Follower:innen enorme Reichweiten erzielen und damit in Folge auch Geld verdienen können. Neben dem Umstand, dass das Erkennen von möglicherweise unseriösen Quellen so enorm erschwert wird, richtet sich der Betrag, der ausbezahlt wird, nach der absoluten Reichweite pro Video. Verbreitet man nun emotionale Themen, die es mit einer Belegbarkeit von Behauptungen nicht so ernst nehmen, ist die Chance hoch, dass dieses Video viral geht, eine hohe Reichweitenzahl erlangt und damit wiederum zu einer größeren Bezahlung führt und Nachahmung animiert. Der TikTok-Algorithmus macht es also einfacher, Desinformationen zu verbreiten und entscheidet, je nach Nutzungsverhalten, welche Nachrichten geteilt werden und welche nicht.

Einfluss von viralen Mechanismen und Algorithmen auf die Empörungen auf TikTok

Diverse Studien haben bereits offengelegt, dass die individuelle Aufbereitung durch Algorithmen von TikTok einerseits die positive Erfahrung verstärkt und das Wohlbefinden fördert, auf der anderen Seite auch Gefahren wie die Verzerrung im Urteils- und Entscheidungsprozess mit sich bringt. Zusätzlich verstärken die Mechanismen auch den Filterblasen-Effekt. Dieser beschreibt das Phänomen, dass Informationen und Meinungen gefiltert werden und durch häufige Wiederholung verstärkt werden. Daher werden einige Informationen zugänglicher als andere werden. Diese Isolation könnte starre politische Einstellungen oder sogar Radikalisierungen zur Folge haben. Aktuell stellten vor allem die hoch emotionalisierten Beiträge eine Problematik dar. Da diese stark polarisieren würden, erhalten sie hohe Sichtbarkeit, was gleichzeitig bedeutet, dass sie durch den Algorithmus prominenter aufzufinden seien. Die viralen Empörungen könnten schnell und einfach größere Gruppen beeinflussen, weil sie starke Gefühle hervorrufen würden und die Algorithmen priorisieren diese Inhalte, da sie tendenziell eine höhere Nutzer:innen-Interaktion generierten.

Luce Fiduccia in Auftrag an KI-Programm DALL-E: „erstelle ein Bild zum Thema Medienkompetenz“
Luce Fiduccia in Auftrag an KI-Programm DALL-E: „erstelle ein Bild zum Thema Medienkompetenz“

Medienkompetenz im digitalen Zeitalter: Vorsicht auf TikTok

TikTok führt seit den US-Wahlen 2020 Maßnahmen ein, um Fehlinformationen auf der Plattform zu bekämpfen. Damals wurden drei neue Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von Fehlinformationen veröffentlicht. Diese beinhalten, die generelle Aktualisierung der Community-Richtlinien, damit alle Nutzer:innen ein Bewusstsein für Verbote bekommen. Außerdem sollen die Partnerschaften von TikTok mit Faktencheck-Organisationen vergrößert werden. Auch die Kooperation mit Expert:innen, aber auch des US-Ministeriums für Innere Sicherheit soll dazu beitragen die Plattform von äußeren Einflüssen zu schützen.

Es soll über Fehlinformationen aufgeklärt werden, die politische Bildung gefördert werden und insgesamt Medienkompetenz auch in der Schule in den Vordergrund gestellt werden.

Disclaimer: Für den Fall der Weiterverarbeitung durch Dritte wird darum gebeten, Autorenschaft und Ort der Erstveröffentlichung zu übernehmen und kenntlich zu machen.

Digital Footprint Awareness

Über den eigenen digitalen Fußabdruck nicht Bescheid zu wissen ist sehr gefährlich und kann auch dem persönlichen Leben schaden

In einer Studie von Kaspersky aus dem Jahr 2022 unter dem Namen „the right to be forgotten“ waren 48 % der Befragten der Meinung, dass ihnen eine Offenlegung ihres persönlichen digitalen Fußabdrucks unangenehm wäre. Doch noch schlimmer kann es im Beruf oder sozialen Leben schwierig werden, wenn nicht überlegt wird, was man postet.

Promptverzeichnis: 

Bild 1: Luce Fiduccia in Auftrag an KI-Programm DALL-E: ,,Erstelle ein abstraktes Bild zum Thema Empörungeswellen auf TikTok.“, am 27.06.24, 11:23. 

Bild 2: Luce Fiduccia in Auftrag an KI-Programm DALL-E: „Erstelle ein Bild zum Thema Empörungswellen auf TikTok.“, am 27.06.24, 11:30. 

Bild 3: Luce Fiduccia in Auftrag an KI-Programm DALL-E: ,,Erstelle ein Bild zum Thema Medienkompetenz“, am 27.06.24, 11:45.

Über die AutorInnen

Aurelia Aeychouh ist 24 Jahre alt und studiert im 4. Fachsemester Medienmanagement an der FH St. Pölten. In ihrer Freizeit macht sie gerne Sport und spielt Klavier.

Kontaktoption: mm221045@fhstp.ac.at
Bild Copyright Julius Nagel

Luce Fiduccia ist 23 Jahre alt und studiert Medienmanagement an der FH St.Pölten. In ihrer Freizeit fährt sie mit dem Fahrrad und hört True-Crime Podcasts

Kontaktoptionen: luce.fiduccia@hotmail.com
Bild Copyright: Julius Nagel