Die Gründung eines neuen Radiosenders ist ein riskantes Abenteuer – und in der heutigen Medienwelt scheint der Weg dorthin noch steiniger und kostenintensiver geworden zu sein. Enorme Investitionssummen, der harte Konkurrenzkampf mit digitalen Streaming-Giganten und die ständigen Veränderungen im Hörverhalten des Publikums stellen Gründer vor große Herausforderungen. Besonders in einem Markt, an dem Corporate Radios zunehmend am Kuchen mitnaschen. Wer heute den Schritt wagt, einen neuen Radiosender zu etablieren, muss sich auf einen echten Kampf gefasst machen, bei dem Kreativität und kluge Finanzstrategien den Unterschied zwischen Erfolg und Scheitern ausmachen.
von ELENA ARTNER
Finanzierungsstrategien im Radio
Die Finanzierung eines neuen Radiosenders erfordert solide Kapitalquellen und eine kluge Finanzstrategie. Laut Radiowoche kommen für die Anfangsfinanzierung sowohl Eigenmittel als auch Fremdmittel in Frage – eine Kombination, die je nach Umfang und Konzept des Senders sorgfältig abgewogen werden muss. Eigenmittel ermöglichen Unabhängigkeit und schnelle Entscheidungen, während Fremdmittel wie Bankdarlehen oder Investitionen von Förderstellen helfen, die oft erheblichen Anfangskosten zu stemmen. Doch auch der Zugang zu Fördergeldern und die Sicherung langfristiger Einnahmequellen sind wesentliche Schritte, um ein stabiles finanzielles Fundament für den Sendestart zu legen. Laut Joanna Jarosz-Bahr wird der Radiosender von XXXLutz beim Sendestart zu 100% eigenfinanziert. Ohne Förderungen in Anspruch zu nehmen, setzt das Unternehmen auf eigene Mittel, um das Projekt zu realisieren. Dennoch gibt es auch alternative Finanzierungsmöglichkeiten, wie das EU-Programm Creative Europe MEDIA, das besonders für Medien-Start-ups von Interesse ist. Es unterstützt innovative Projekte durch Fördermittel für Produktion und Verbreitung, wodurch Gründer zusätzliche finanzielle Ressourcen erhalten können, ohne externe Investoren einbinden zu müssen.
Mehr als nur Konkurrenzkampf
Private Hörfunkanbieter sind in erster Linie auf Einnahmen aus der Werbevermarktung angewiesen, die eine wesentliche Finanzierungsquelle darstellen. Sie agieren auf zwei Märkten: Zum einen produzieren sie Programminhalte, die den Hörern meist kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Zum anderen vermarkten sie die Reichweite ihres Programms auf dem Werbemarkt. Diese doppelte Marktpräsenz führt dazu, dass sie nicht nur um Hörer*innenzahlen, sondern auch um Werbekundschaft konkurrieren, die an einer großen und attraktiven Zielgruppe interessiert ist. Ein klarer USP kann dabei einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. „Der USP von XXXLutz Das Radio ist ganz klar: Wir sind der Wohlfühlsender. Bei uns gibt es nur gute Nachrichten und positive Meldungen – keine Kriege, keine Naturkatastrophen. Wir sind wirklich der Feel-Good-Sender“, sagt Joanna Jarosz-Bahr. Solche Programme bieten eine Alternative zu den oft nachrichtenlastigen Angeboten und stoßen sowohl bei Hörer*innen als auch bei Werbepartnern auf Interesse. Dieser Ansatz zeigt, dass ein klarer USP nicht nur die Hörer*innenbindung stärkt, sondern auch die Attraktivität für Werbekund*innen steigern kann, indem er eine spezifische Zielgruppe anspricht, die sich von anderen Angeboten unterscheidet.
Der Wandel der Werbung
Die Hörfunklandschaft in Österreich hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert, insbesondere im Hinblick auf die Verteilung des Brutto-Werbeaufwands zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern. Ein Blick auf die Daten von 2012 bis 2023 offenbart klare Trends und verschärften Wettbewerb. Laut Fokus Marketing Research musste der ORF, als führender Anbieter im österreichischen Hörfunk, in den letzten Jahren einen stetigen Rückgang seines Anteils am Brutto-Werbeaufwand hinnehmen. Während er 2012 noch 59,4% der Werbeausgaben auf sich vereinte, fiel dieser Anteil bis 2023 auf 51,4%. Im gleichen Zeitraum konnten private Radiosender ihren Anteil am Brutto-Werbeaufwand kontinuierlich steigern. Von 40,6% im Jahr 2012 wuchs dieser Wert bis 2023 auf 48,6%. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass private Anbieter für Werbetreibende immer attraktiver werden. Sie punkten besonders mit zielgruppenorientierter Ansprache und flexiblen Werbeformaten, die auf die Bedürfnisse ihrer Hörer*innen abgestimmt sind. Ein zentraler Aspekt dabei ist die Reichweite. Wie Ralph Meier-Tanos, Geschäftsführer von 88.6, betont: „Im Grunde geht es darum, dass es wichtig ist, dass ich Reichweite habe in meiner Zielgruppe, dass sie wissen, wofür ich stehe, und dann kann ich sozusagen erfolgreich in der Vermarktung sein.“ Die Daten zeigen, dass sich der Werbemarkt im österreichischen Hörfunk in den vergangenen Jahren dynamisch entwickelt hat. Gleichzeitig steht die gesamte Branche vor der Herausforderung, sich gegen neue digitale Werbekanäle zu behaupten.
Unternehmensradio auf Erfolgskurs
Ein weiterer Faktor, der den klassischen Hörfunk zunehmend unter Druck setzt, ist das Aufkommen von Corporate Radio. Diese unternehmensinternen Radiosender ermöglichen es Unternehmen, ihre Zielgruppen präzise und ohne Streuverluste anzusprechen. Durch maßgeschneiderte Inhalte können Unternehmen spezifische Botschaften, Werte und Markenidentitäten direkt an Mitarbeitende oder Kund*innen kommunizieren. Gleichzeitig können diese Radiosender auf die Bedürfnisse und Interessen ihrer spezifischen Zielgruppe eingehen – sei es durch individualisierte Playlists, exklusive Nachrichten oder sogar interaktive Formate. Allerdings wirken sich Corporate Radios nicht nur auf die Hörerschaft des klassischen Hörfunks aus, sondern erschweren auch dessen Finanzierung. Da Unternehmen eigene Plattformen nutzen, um Botschaften zu platzieren, investieren sie weniger in traditionelle Werbeplätze. Dies führt zu einer sinkenden Relevanz des klassischen Hörfunks für Werbetreibende und erschwert es diesen Sendern, stabile Einnahmen zu generieren.
Neben der wachsenden Bedeutung von Corporate Radios setzen auch Streaming-Dienste wie Spotify den klassischen Hörfunk massiv unter Druck. Diese Plattformen bieten Nutzer*innen ein individuell zugeschnittenes Hörerlebnis, das sich stark von den Programmstrukturen des klassischen Radios durch personalisierte, gesteuerte Playlists Empfehlungen unterscheidet. Der Algorithmus und die Möglichkeit, Inhalte jederzeit und überall zu streamen, machen Streaming-Dienste besonders attraktiv. Laut Meier-Tanos ist ein wesentlicher Unterschied zwischen den Medien, dass Spotify kein Radio ist. Während Spotify auf personalisierte, datenbasierte Inhalte setzt, bietet Radio ein Live-Erlebnis, das sich durch Spontanität Interaktivität und aktuelle Ereignisberichterstattung auszeichnet. Ein weiterer Vorteil des Radios liegt in seiner Fähigkeit, Hörer*innen durch eine Mischung aus Live-Kommentaren und Musik zu fesseln. Wie der Geschäftsführer vom Radiosender 88.6 beschreibt: „Radio ist wie ein Live-Podcast, nur unterbrochen mit Musik. Wenn man das gut macht, ist es genau so aufregend und spannend.“ Diese Dynamik und das Zusammenspiel aus Unterhaltung, Information und Musik sind nach wie vor Alleinstellungsmerkmale, die Streaming-Dienste nicht in gleicher Weise bieten können. Dennoch bleibt der Einfluss von Spotify und Co. auf den Hörermarkt unübersehbar. Premium-Abonnements ermöglichen ein werbefreies Hörerlebnis, und für Werbetreibende sind Streaming-Dienste durch präzise Targeting-Optionen besonders interessant. Dies verschärft nicht nur den Wettbewerb um Hörer*innen, sondern auch um Werbebudgets.
