Fragmentierung am Live-Sport-Übertragungsmarkt – Welches Angebot kann überleben?

DAZN, Sky, Dyn, Servus TV oder doch ORF? Die Anzahl der Live-Sport-Übertragungsanbieter nimmt zu – die Konkurrenz am Markt für Sportrechte steigt und damit wachsen auch die Kosten für Lizenzen. Infolgedessen klettern auch Preise für Rezipient*innen hoch, was zum Lauterwerden der Kritik am Sportangebot führt. Um ein breites Spektrum an Ligen und Sportarten zu genießen, ist ein Abonnement bei mehreren Anbietern erforderlich. Diese Zersplitterung des Sportangebots auf viele Plattformen stellt die Zuschauer*innen vor eine herausfordernde Entscheidung: Wie viel ist Sport wert? Welche Live-Sport-Anbieter können sich in Zukunft durchsetzen ? SUMO hat ORF-OÖ-Sportmoderator Dennis Bankowsky und Rezipient Felix Gaisberger zu den aktuellen Entwicklungen im Live-Sport interviewt.

Von LENA WAGNER

Von analogen Signalen zu digitalen Streams: Die Entwicklung der Sportübertragungen

Die mediale Sportbranche verändert sich rasant. Vor dem Aufkommen des Internets dominierte das lineare Fernsehen den Markt für Sportübertragungen. Sportmoderator Dennis Bankowsky ist seit vielen Jahren Teil der Branche und gewährt in seinem Interview Einblicke in die dynamischen Veränderungen der Sportlandschaft. „Es war eine ganz andere Zeit. Man hatte fünf Kanäle auf dem Fernseher und das war’s. Von Fußball bis Skifahren war der TV die einzige Quelle für Sportinhalte im Wohnzimmer“, sagt der Moderator rückblickend.

Mit dem Beginn der 2010er Jahre und dem beeindruckenden Aufstieg der Video-on-Demand-Plattformen fand der Sport ein neues Zuhause. 2016 kam der britische Streamingdienst DAZN (engl. „da zone“) nach Österreich. Pay-TV-Anbieter Sky benannte in diesem Jahr sein Angebot in Sky Ticket (später Sky X) um und setzte mit DAZN in dieser Zeit innovative Standards, womit sie seither eine breite Masse von Sportbegeisterten rund um die Uhr versorgen. Mit der Veränderung der Technologie entwickelten sich auch Gewohnheiten und Prioritäten der Menschen: Während ein Fußballspiel der Top-Liga an einem Freitagabend einst ein besonderes Ereignis war, haben Zuschauer*innen nun rund um die Uhr Zugang zu Live-Sport, so Bankowksy über die Entwicklung des rezipierten Sportangebots.

David Morgenbesser, Vermarktungschef für Sportrechte bei Servus TV spricht in einem Interview mit tennisnet.com im Jahr 2022 davon, dass es durch die technischen Möglichkeiten und Konvergenz der Medien eine deutlich höhere Akzeptanz gäbe, für Bewegtbild zu bezahlen und verweist auf den erfolgreichen Start von DAZN. Wie das Steigen der Abopreise und die Fragmentierung durch neue Marktteilnehmer die Branche verändern wird, bleibt aber für alle Wettbewerber spannend.

Neue Anbieter, neue Preise, neue Branche

Wie verändert sich die Branche aktuell? In Österreich dominieren derzeit (noch) die etablierten Akteure DAZN und Sky den Markt für Live-Sport. Neben diesen ist im August 2023 mit Dyn Media ein neuer Mitspieler in den Markt eingetreten. Gemeinsam mit dem Axel Springer Verlag gründete der ehemalige DFL-Geschäftsführer Christian Seifert ein Start-up mit dem Ziel, zum Vorreiter im Bereich Übertragung von Randsportarten zu werden. Basketball, Handball oder Volleyball – Dyn bietet nun am Markt mit.

Infolgedessen erlebt die Branche eine Zersplitterung des Angebots auf viele Übertragungsplattformen. Für Rezipient*innen wird es zunehmend komplex, einen Überblick über die benötigten Abonnements für verschiedene Sportarten zu behalten.

Also wer hat jetzt noch welche Rechte? Hier eine Zusammenfassung, welche Abonnements derzeit für den Zugriff auf bestimmte Sportarten erforderlich sind.

Sport hat seinen Preis: Die Fragmentierung auf verschiedene Anbieter drängt Zuschauer*innen dazu, mehrere Abonnements abzuschließen, was mit hohen Kosten verbunden ist. Angenommen, ein Interesse besteht sowohl an der deutschen Bundesliga als auch an der Champions League, neuerdings an Dart und den US Open, somit ergibt sich ein monatlicher Gesamtpreis von 74,97 € – und das für ein Interesse an lediglich drei Sportarten.

Der Aufstieg und Fall von DAZNs Reputation: Laute Kritik

Von 9,99 € auf 44,99 € pro Monat – Vorreiter DAZN hat viele Fans verschreckt. Bei einer Umfrage im März 2022 gaben 32 % der Befragten an, ihr Abonnement kündigen zu wollen, als die Monatspreis von 14,99 auf 29,99 € anstieg. Sportenthusiast Felix Gaisberger teilt im Interview mit SUMO seine persönlichen Erfahrungen zu dem langen Weg mit dem Streamingdienst. Sein Abonnement hatte er im Jahr 2017 für 9,99 € pro Monat abgeschlossen. „Es war fantastisch. Ich konnte problemlos auf mehreren Geräten streamen und hatte Zugang zu fast allen Fußballligen“, erinnert er sich. DAZN hatte sich bei seiner Markteinführung im Jahr 2016 selbst als das „Netflix des Live-Sports“ positioniert und warb mit dem „besten 10er aller Zeiten“. Bei diesen zehn Euros sollte es jedoch nicht bleiben.

Preisentwicklung Abonnement DAZN-Unlimited:

Nicht nur die Abonnementpreise haben sich geändert, auch die angebotenen Leistungen. Plötzlich konnten Streams nur noch von einem Gerät geschaut werden, 5-minütige Highlight-Videos wurden von 30-sekündigen Werbespots unterbrochen und bestimmte Spiele nicht mehr gezeigt. Als das Abo schließlich auf 44,99 € stieg und nur noch ausgewählte Spiele der Premier League verfügbar waren, beschloss der einstige DAZN-Anhänger zu kündigen – sein Abonnement sowie seine letzte Begeisterung. Er spricht von einer „Verhöhnung der eigenen Fans“. Trotzdem verfolgt der Sportfan immer noch die Aktivitäten von DAZN, da er dennoch am Angebot interessiert ist. Eine Lösung hat er noch nicht gefunden. Aufgrund der hohen Preise und der Angebotsfragmentierung gibt es aktuell für ihn keine überzeugende Alternative am Markt – keiner bietet das umfassende Angebot, die Funktionalitäten und die breite Palette an Rechten, die DAZN einst hatte, so Gaisberger. Diese Meinung wird offenkundig von vielen geteilt.

Quelle: Instagram @dazn_de


Sport ist nicht gleich Sport

Die Sportbranche verändert sich nicht gleich rasant – der Unterschied zwischen einzelnen Sportarten ist enorm: „Sportübertragungen sind äußerst vielfältig – Skifahren lässt sich nicht mit Fußball vergleichen“, erklärt Sportmoderator Bankowsky. Übertragungsrechte sind in jeder Sportart etwas anders. In der Weltdisziplin Fußball hätten weitaus stärkere Veränderungen stattgefunden als im Skisport. Warum? Skifahren ist in vielen Ländern weniger populär und findet deutlich seltener statt. Es gibt festgelegte Rennwochenenden und nur eine einzige Liga, neben den Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen, die von der breiten Masse nachgefragt werden.

Im Fußball hingegen ist der Markt auf viele Länder und Ligen verteilt. Dabei ist er naturgemäß viel stärker umkämpft. Mit einer zunehmenden Anzahl an Anbietern steigen auch die Kosten für die Übertragungsrechte – das betrifft den ORF gleichermaßen wie Sky und DAZN. Hingegen haben Sportarten wie Skifahren sich durch den Video-on-Demand-Hype vergleichsweise wenig verändert und werden nach wie vor sehr erfolgreich im TV angenommen.

Wie steht es um die Formel 1? Auch hier gibt es Veränderungen, besonders bei den Übertragungsrechten. Bis 2021 hatte der ORF die alleinigen Rechte. Seither bis inklusive 2026 teilt sich der Privatsender Servus TV die Rechte mit dem ORF als Sublizenznehmer, wobei beide Sender je die Hälfte der Rennen übertragen. Alexander Wrabetz, der ehemalige ORF-Generaldirektor, erklärte 2021, dass der ORF so „die Formel 1 im Programm behalten und gleichzeitig ökonomische Vorgaben einhalten könne“. Die zentrale Frage ist, wie sich die Situation angesichts steigender Lizenzkosten weiter entwickeln wird.

Rechte und Lizenzen bei Public Viewing

Das Magazinthema Öffentlichkeit fragt bei Sport natürlich nach der Bedeutung von Public Viewing. Muss für eine solche Veranstaltung ein Recht erworben werden? Die Antwort: Es kommt drauf an. Kommerzielle öffentliche Vorführungen sind lizenzpflichtig. Ausgenommen davon sind Public Viewings in Bars, Restaurants und Hotels, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:

Die Regeln bei der Fußball-EM 2024:

  • Die Übertragungen finden innerhalb der gastronomischen Räumlichkeiten statt.
  • Die notwendigen TV-Abos für den kommerziellen Bereich und die erforderlichen örtlichen Genehmigungen sind vorhanden.
  • Die Veranstaltungen werden nicht gesponsert.
  • Es wird kein Eintrittsgeld erhoben und es finden keine zusätzlichen kommerziellen Aktivitäten statt.

Die Suche nach einer Lösung

Viele Möglichkeiten stehen im Raum, bis dato werden wenige davon Realität. Für Zuschauer*innen ist der Konkurrenzkampf zwischen den Anbietern belastend. „Alle nehmen sich gegenseitig was weg – zum Nachteil vom Abozahler.“, unterstreicht Gaisberger. Die Vielfalt an Ideen seitens der Zuschauer*innen ist laut Gaisberger groß, sowie die Forderungen nach mehr Selbstbestimmung: Spezifische Pakete wie ein „Fußballpaket“ oder ein „American Sports Paket“ werden von Zuschauer*innenseite vorgeschlagen. Die Option einer individuellen Programmauswahl wäre für die Abonnent*innen ideal, jedoch bleiben die Erwartungen gedämpft. Der Hauptwunsch besteht laut Gaisberger darin, für das bezahlen zu können, was auch tatsächlich rezipiert wird. Die mobile App OneFootball könnte hier ein Vorreiter sein. Das Unternehmen arbeitet mit Pay-per-View. Für jedes Spiel wird hier ein einmaliger Preis von 3,99 € fällig.


Lösungswege gibt es also viele, doch ob sie in Zukunft umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Felix Gaisberger fordert mehr Transparenz, insbesondere wenn es um Änderungen bei Paketen und Preisen geht: „Wenn ich mehr bezahlen soll, möchte ich auch wissen, warum“, betont er. Solange kein überzeugendes Angebot den Markt betritt, verzichtet er auf Live-Sport.

Ideen aus aller Welt

Alternativen werden weltweit gesucht. In den USA möchten sich nun die drei Mediengiganten Fox, Disney (ESPN) und Warner Bros zu einer Joint Venture zusammenschließen und Sportberichterstattung neu definieren. Die Streamingkonkurrenz kritisiert diesen Zusammenschluss und spricht von einem Trend zur Monopolisierung. Fubo, ein amerikanischer Live-Streaming-Anbieter reichte eine Klage wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das amerikanische Kartellrecht ein.

In Österreich wäre so eine Joint Venture gar nicht möglich, sagt Dennis Bankowsky. Der österreichische Markt ist vergleichsweise so klein, dass bei einem Zusammenschluss von drei bis vier TV-Anbietern bereits ein Monopol erreicht wäre. Bankowsky ist dennoch gespannt, ob das Konzept in den USA funktionieren wird.

Wie geht es nun weiter?

Es existieren viele Szenarien. Bei einem Extremverlauf des Trends der Fragmentierung würden sich noch mehr Anbieter etablieren, wodurch jeder möglicherweise nur noch die Übertragungsrechte für eine einzige Liga besitzt. Sportfans sind der Ansicht, dass DAZN und Sky trotzdem die Nase vorn haben werden, da es in einem so hart umkämpften Markt schwierig ist, mit einem überlegenen Angebot den etablierten Größen die Stirn zu bieten.

Fans bedauern, wie die Leidenschaft für den Sport ausgenutzt wird. Für viele sei Sport ein so zentraler Bestandteil ihres Lebens, für den auch ein hoher Preis bezahlt wird. „Die Anbieter sind sich dessen bewusst, dass viele Menschen bereit sind, noch mehr Geld auszugeben, um ihr Lieblingsteam zu sehen. Ich habe mein Abonnement gekündigt, aber ich kenne viele, für die Fußball eine große Leidenschaft und Liebe bedeutet – das kann man ihnen nicht nehmen, und das wissen die Unternehmen auch“, meint Gaisberger. Die Fragmentierung des Sportangebots kann somit auch aus unternehmensethischer Perspektive betrachtet werden.

Wie wird sich die Branche nun verändern?

„Die bedeutende Veränderung im Sport war bereits in den 2010er Jahren.“ Bankowsky erwartet keinen signifikanten Umbruch in der Sportindustrie. Die etablierten Marktführer würden bestehen bleiben, während einige möglicherweise den Markt verlassen, wenn er übersättigt ist und die Kosten der Übertragungsrechte für kleinere Unternehmen nicht mehr leistbar sind. Großereignisse und etablierte Disziplinen wie der Skisport würden auch in naher Zukunft weiterhin im linearen Fernsehen übertragen werden. Neue Mitspieler werden es laut ihm schwer haben, im bereits hart umkämpften Sportmarkt wirklich Fuß zu fassen. Die Strategie von Dyn empfindet er als klug, kann sich aber nicht vorstellen, dass die Nachfrage nach Randsportarten in Österreich bereits ausreicht.

Außer Frage steht jedoch, dass das Interesse der Menschen am Sport erhalten bleibt. „Live-Sport wird es immer geben.“, sagt Bankowsky. Sport biete etwas Einzigartiges, das keine Serie und kein Film offerieren kann. Auch Sportenthusiast Felix Gaisberger ist der Meinung, dass die Fragmentierung kein Beginn eines Umdenkens bei DAZN ist. Er betont, dass der Sportstreaming-Anbieter längst auf die Bedürfnisse der Nutzer*innen eingegangen wäre, wenn er es gewollt hätte. DAZN würde auch ohne ihn überleben. Sport hätte immer einen Platz in den Herzen der Menschen und für diese Leidenschaft wird es immer Wege geben, sie zu leben. Auch wenn dem Live-Sport keine Renaissance bevorsteht, bleibt in einer zunehmend fragmentierten Sportmedienlandschaft die Frage, welches Angebot überleben wird, von entscheidender Bedeutung, während sich Branchenakteure weiterhin um den Erhalt ihrer Marktrelevanz bemühen müssen.

Lena Wagner | Copyright: Max Peternell