AAAlbtraum – große Videospiele, fehlende Qualität

Viele Videospiele großer Entwicklerstudios erscheinen oft unfertig oder lassen Spielinhalte wie eine gut ausgebaute Open-World vermissen, wodurch es zu einem Aufschrei innerhalb der Gaming-Szene kommt. Für den SUMO-Artikel zu dieser Thematik wurden Thomas Kunze, Gründer des Games Institute Austria, sowie Martin Filipp, COO und Managing Director des österreichischen Entwicklerstudios Mipumi Games befragt. 

Von NICOLAS WALD

Ein*e Kritiker*in auf der englischsprachigen Bewertungsplattform Metacritic, schrieb zum Videospiel Skull & Bones von Ubisoft das Folgende: „Skull & Bones ist das Begleitprodukt eines turbulenten Entwicklungsprozesses, ein Spiel, dem jede Vision fehlt.“ Weitere Nutzer*innen der Plattform beschweren sich über ein unfertiges, anspruchsloses und langweiliges Spielerlebnis. Der „Metascore“ von Kritiker*innen liegt hierbei bei 59 von 100. Der „User Score“ nur bei 3,4 von 10 Punkten. Skull & Bones ist hierbei ein Beispiel für den Qualitätsrückgang von Videospielen großer Entwicklerstudios und den damit verbundenen negativen Meinungen aus der Öffentlichkeit der Gaming-Szene über Videospiele dieser Art. 

Triple A Spiele erklärt 

Diese Videospiele großer Entwicklerstudios werden meist als sogenannte „Triple A Games“ bezeichnet. Da dieser Begriff aber auch in der Gaming-Branche ein Begriff inoffizieller Natur ist, folgt hier nun eine kurze Erklärung.

Als Triple A Spiele werden nach einer Definition der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle – kurz USK, die in Deutschland für die Altersfreigabe von Videospielen und Videospieltrailern verantwortlich ist, die „Blockbuster“ unter den Videospielen bezeichnet. Also Spiele mit großen Entwicklungsbudgets, riesigen Produktionsteams und dementsprechend hohen Ansprüchen an den Erfolg des Spiels am Videospielmarkt. Dieser Definition schließt sich auch Thomas Kunze an. Der Gründer des Games Institute Austria bezeichnet den Begriff „Triple A“, als einen aus der Filmbranche kommenden Begriff, der für einen gewissen Produktionswert steht. Ein Spiel müsse demnach teuer genug sein in der Produktion, was für den/die Spielende*n meist für Spiele von großen Publishern und Entwicklerstudios stehen würde. Allerdings handle es sich heutzutage auch um börsennotierte Unternehmen, also um Unternehmen, die auf den Shareholder-Value achten müssen. Also darauf, dass am Ende ein Plus in der Kalkulation dasteht, so Kunze weiter. Dies führt dann auch immer wieder zu problematischen Releases, wenn ein Spiel zum Beispiel zu früh veröffentlicht wird, damit es noch Teil des aktuellen Budgets ist, erklärt der Videospielenthusiast. Allerdings sei dies nicht nur ein Problem von großen Entwicklerstudios, so Kunze.

Ähnlich sieht es auch Martin Filipp. Der COO und Managing Director von Mipumi Games bezeichnet Triple A Spiele ebenfalls als Projekte und Produkte mit einem besonders hohen Produktionswert, die mit einem verstärkten Qualitätsanspruch auf die Tiefe und die Emotion und den Transport dieser Elemente auf den/die Spieler*in einhergehe. Außerdem sind Spiele dieser Kategorie mit einem gewissen Preisschild versehen, das im Zusammenhang mit dem Produktionsbudget steht, so Filipp. 

Die Akte Skull & Bones genauer erklärt 

Das bereits erwähnte, im Februar 2024 erschienene Action-Adventure Spiel Skull & Bones, das vom Entwicklerstudio Ubisoft Singapur – welches aus über 350 Mitarbeiter*innen besteht – entwickelt wurde, steht bezeichnend für den aktuellen Stand von Triple A Spielen in der Gaming-Szene. Das Spiel, dessen Handlung sich um Seefahrt und Piraterie dreht und im späten 17. Jahrhundert in Ostafrika und Südostasien spielt, erntete nach der Veröffentlichung zahlreiche negative Kritiken auf verschiedenen Plattformen. Das deutsche Videospielmagazin Gamestar bezeichnet das Spiel in einem Artikel (21.02.2024), als Spiel in dem so viel mehr gesteckt hätte, aber es durch eine unfertige Geschichte und unausgereifte Open-World noch nicht für die Veröffentlichung bereit gewesen wäre. Was angesichts der enorm langen Entwicklungszeit von über zehn Jahren und kolportierten Entwicklungskosten in Höhe von 200 Millionen Euro doch etwas verwunderlich ist. Ob es nach dieser langen Entwicklungszeit nicht besser gewesen wäre, das Spiel einfach fallen zu lassen und gar nicht erst zu veröffentlichen, dazu äußerte sich Martin Filipp, dessen Studio, Mipumi Games, ebenfalls an Skull & Bones mitgearbeitet hat. Er meint, man muss hier unterscheiden. Da die Entwicklungsphasen in der Spieleentwicklung dem des Films sehr ähnlich sind, ist es hier ein normaler Vorgang, dass ein Projekt am Anfang, wo es kostengünstiger ist, sich länger in der Entwicklung befindet. Außerdem sind die Entscheidungen der Entwicklerstudios meist von dem Geld abhängig, welches schon in die Produktion investiert wurde, es wäre also schwierig gewesen, nach so viel eingesetztem Geld, doch noch einen Rückzieher zu machen, so Filipp.  

Skull & Bones hätte auch meist positives Feedback während der Beta-Testläufe bekommen und es sei der Wunsch der Fans gewesen, dass es nach dem Erfolg des Piratenspiels Assassins Creed Black Flag zu weiteren Spielen dieser Art kommt, erklärt der Spieleentwickler. Ein Spiel zu entwickeln ist demnach nichts „einfaches“, da es unterschiedliche Schritte, von der Konzeption bis hin zu den Testphasen, durchlaufen muss, bis es schlussendlich am Markt erscheinen kann. Thomas Kunze erklärt außerdem, dass Skull & Bones das erste Spiel gewesen ist, das vom CEO von Ubisoft als „Quadruple A Game“ bezeichnet wurde, also noch eine Stufe über Triple A Spielen und für das, was es verspricht, aber viel zu schnell zu langweilig wird und zu wenig Inhalt bietet, was auf eine ungeschickte Marketing-Strategie seitens des Publisher hinweisen könnte. 

Entlassungswellen und Sexismus 

In den letzten Monaten kam es in der Videospielindustrie außerdem zu einer enormen Entlassungswelle, so wurden hunderte Mitarbeiter*innen größerer Entwicklerstudios, wie zum Beispiel bei Riot Games, Electronic Arts oder auch Microsoft freigestellt. Laut einem Artikel des ZDF (10.05.2024) würde die Gaming Szene dem Umsatz nach zwar weiterwachsen, allerdings nicht so stark wie in den Jahren zuvor. (6,2% Umsatzwachstum 2023 im Vergleich zu 12,9% 2021 und 27,1% 2020) Außerdem stünde der Gaming Branche durch die mindestens 2.500 Entlassungen in den 32 weltweit größten Spieleunternehmen, ein schwieriges Jahr bevor. So berichtet der Standard in einer Analyse (28.01.2024) darüber, dass die Entlassungswelle bei Microsoft vor allem mit dem Kauf des Videospielkonzerns Activision Blizzard um rund 69 Milliarden Dollar zusammenhängt, damit mögliche Doppelbelegungen im Haus vermieden werden. 

Bei Riot Games hingegen, sei man vor allem mit dem Erfolg neuer Spin-Off Spiele des Hauptspiels League of Legends, wie Mageseeker oder Convirgence nicht zufrieden gewesen, da diese teilweise zu teuer am Markt angeboten wurden. Man wolle sich hier wieder vermehrt auf das Hauptspiel konzentrieren. Die Auswirkungen von solchen Massenentlassungen betreffend und ob sie sich auch auf die Qualität zukünftiger Spiele dieser großen Publisher auswirken können, erklärt Martin Filipp, dass die Umbrüche in der Gaming-Branche bekannt sind und das dies schon seit einem halben Jahr durch die Medien geht. Er führt allerdings weiter aus, dass in der Spiele-Branche, anders als in der Film-Branche ein Großteil der Mannschaft eines Entwicklerstudios aus fest angestellten Personen besteht und es immer eine strategische Entscheidung ist, Mitarbeiter*innen zu entlassen, manchmal aber aus wirtschaftlicher Sicht keine Wahl bleibt. „Du verlierst halt einfach das Wissen, welches im Unternehmen vorhanden ist und wenn du dann weitermachst, musst du erst wieder skalieren, musst wieder Leute an Bord holen und in das Teamgefüge und die Technologie einarbeiten“, spricht Filipp über die Nachteile, die mit der Entlassung von Personen innerhalb eines Entwicklerstudios einhergehen. Außerdem sehen sich große Videospielunternehmen, wie zum Beispiel auch Ubisoft, immer wieder mit einem sexistischen Arbeitsumfeld und einer toxischen Unternehmenskultur konfrontiert. So berichtet beispielweise Gamestar in einem Artikel (05.10.2023) über die Verhaftung fünf ehemaliger Angestellter des Publishers, wegen Machtmissbrauch und sexueller Nötigung, darunter auch der ehemalige Kreativchef Serge Hascoët. Für Thomas Kunze sind diese Probleme mit einer problematischen Arbeitskultur und mit Erfolg und Macht durch einen zu schnellen wirtschaftlichen Aufstieg verbunden und für ihn außerdem Gründe, Spiele solcher Publisher nicht zu konsumieren. 

Wie stark sich diese Gründe nun auf die Qualität von Triple A Spielen auswirken, lässt sich nicht mit Gewissheit beantworten, dennoch sind die Veränderungen in der Gaming-Branche laut zahlreicher medialer Berichte nicht zu leugnen und es wird interessant zu beobachten sein, wie sich diese Industrie in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird. Nach Martin Filipps Meinung muss man großen Entwicklerstudios wieder mehr Zeit geben, um neue Dinge auszuprobieren und aus Fehlern lernen zu können, um große Titel und Spielereihen zu liefern, die unserem Anspruch als Gaming-Community wieder gerecht werden können. 

Nicolas Wald | Copyright: Max Peternell